Romantik ist Fusion!
Das Wort "romantisch" birgt im Sprachgebrauch eine Vielzahl von Bedeutungen: poetisch, verträumt, schwärmerisch, phantasievoll, idealistisch, utopisch, wirklichkeitsfern, altertümlich, gemütlich, stimmungsvoll, sentimental und fast immer mit einer Sehnsucht verbunden. Dem Romantischen entgegen steht das Alltägliche, Vernünftige, Praktische, Sinnvolle, Sachliche, Nüchterne, aber auch das Pedantische und Banale.
Um das musikalische Grundgefühl in den Songs der CD "Romantic Fusion" zu charakterisieren, machen wir eine Zeitreise, die "Romantik" als Name einer Epoche der europäischen Kunst (1790-1840) führt uns in die beiden vergangenen Jahrhunderte. Bekannte Kunstwerke der Romantik sind Caspar David Friedrichs "Das Eismeer" (1823/24) und der "Kreidefelsen auf Rügen" (1818).
Caspar David Friedrichs Landschaftsträume mit magischer Grundstimmung, hier: Kreidefelsen auf Rügen.
Quelle: Winzer, Fritz (Hg.): Kulturgeschichte Europas. Köln: Naumann&Göbel. O.J., S. 623
In der Literatur sind es z.B. Goethe, Schiller, Novalis, E.T.A. Hoffmann und Eichendorff. In der Musik u.a. die Komponisten Beethoven, Schumann, Brahms, Bruckner, Weber, Strauss, Mendelssohn. Allerdings gibt es nach SCHULZ keinen durch bestimmte Merkmale eindeutig beschreibbaren romantischen Stil wie für andere Kulturepochen (Barock, Rokoko, Klassizismus, Realismus, Naturalismus, Impressionismus und Expressionismus). Daher hat es einen bestimmten romantischen Stil nicht gegeben und es bleibt schwierig, Eigenschaften romantischer Musik zu beschreiben. Denn in der Romantik wurde auf vergangene Stilformen wie Klassik und Antike zurückgegriffen und es verwischten sich alle bisherigen Gattungs- und Formengrenzen.
Jeanne-Francoise-Julie-Adelaide Recamier um 1800, Königin der eleganten Gesellschaft in Paris und Opposition gegen Napoleon. Quelle: Winzer, Fritz (Hg.): Kulturgeschichte Europas. Köln: Naumann&Göbel. O.J., S. 605.
Ist Romantik aktuell und "modern"?
Es bleibt ein Allgemeinplatz, festzustellen, dass das Romantische immer wieder und bis in die Gegenwart fortgesetzt wird, so wie es in mancher Kunstkritik (z.B. an Joseph Beuys, Paul Wunderlich, Anselm Kiefer) erfolgt. Denn dass Künstler auf Vorbilder zurückgreifen, ist eine Tatsache aller Kunstausübung. So besteht kein Grund anzunehmen, dass ein Rückgriff auf Vorbilder aufhören würde. Aktuell zu sein heißt, "in den Gedanken und Problemen einer vergangenen Zeit die eigenen gespiegelt zu sehen oder deren Ursprünge zu erkennen." (SCHULZ, S. 139)
Karl Friedrich Schinkel: Inszenierung für Mozarts Zauberflöte, motivisch angeregt durch die Entdeckungen der Archäologie, aquarellierter Stich von 1816. Quelle: Winzer, Fritz (Hg.): Kulturgeschichte Europas. Köln: Naumann&Göbel. O.J., S. 598.
Die Aktualität der Romantik begründet sich also in der bis heute zunehmenden Anzahl und Bandbreite vorzufindender Stilistiken, aus denen geschöpft werden kann. So kann auch die Entstehung des Fusion-Styles der 1970er Jahre gedeutet werden:
"Fusion"
Wolfram KNAUER, Leiter des Jazzinstituts Darmstadt, beschreibt den Fusion-Style der 1970er Jahre als Gegenbewegung zum Free Jazz der 1960er Jahre, "in der die Musiker einerseits versuchten, der scheinbaren Komplexität des Free Jazz simple Formen entgegenzustellen, andererseits statt des elitären Publikums der 1960er Jahre wieder ein Massenpublikum für den Jazz zu interessieren." Als ein Meilenstein dieser "Gegenbewegung" wird das Album "Bitches Brew" von Miles Davis genannt. Auch andere Musiker wie Frank Zappa und Jimi Hendrix, werden der Geburtsstunde des Fusion zugeordnet, Letzterer war wegen seiner Improvisationsgabe bei vielen Jazzmusikern hoch angesehen. Darüber hinaus war der Jazz bis zu diesem Zeitpunkt hauptsächlich eine akustische Musik gewesen. Dies änderte sich 1968 mit der Miles Davis Band, die "außer dem Trompeter, einem Saxophonisten und einem Schlagzeuger nur elektrische Instrumente spielten: drei Keyboards, E-Bass und E-Gitarre."
Jene Musiker, die in der Miles Davis Band mitgewirkt hatten, führten auch die Fusion-Szene der 1970er Jahre an: Herbie Hancock, Chick Corea und seine Band "Return to Forever", John McLaughlin mit seinem "Mahavishnu-Orchestra", Joe Zawinul und Wayne Shorter mit ihrer Band "Weather Report". An dieser Stelle wird auf eine endlose Liste weiterer Musiker und Alben des Jazzrock verzichtet.
Thomas STEINFELD bezeichnet Fusion als "erste romantische Phase" der Rockmusik. Denn Fusion entstand als Verbindung zwischen aggressiver, roher aber auch heroischer Rockmusik und den traditionell amerikanischen Improvisationsvirtuosen.
Ist Fusion aktuell?
Der Fusion-Style lässt sich auch unter dem Begriff "Crossover", eine Ende der 1980er bzw. Anfang der 1990er Jahre entstandene Bezeichnung für die Verschmelzung verschiedener Musikgenres, einordnen. Allerdings werden aktuell nur noch wenige Bands explizit dem Crossover zugerechnet, da es heute nahezu selbstverständlich ist, dass sich Bands von verschiedenen musikalischen Einflüssen inspirieren lassen. "Nur noch in wenigen Musikrichtungen wird die Übernahme 'verwässernder' Elemente anderer Stilistiken abgelehnt."
Quellen:
Schulz, Gerhard: Romantik. Geschichte und Begriff. München: Beck 1996.
Winzer, Fritz (Hg.): Kulturgeschichte Europas. Köln: Naumann&Göbel. O.J.
Knauer, Wolfram: Jazz - Ein Überblick über die Jazzgeschichte. www.jazzinstitut.de Stand 19.08.2006
Steinfeld, Thomas: Der Furchtlose. In: FAZ Nov./Dez. 1995
wikipedia: Begriff Crossover. Stand: 19.08.2006